Langsam wird es ernst, mein letzter Vorbereitungswettkampf vor dem Ironman Frankfurt am 26.06.2022. Dieses Jahr endlich wieder in der richtigen Reihenfolge, Mitteldistanz in Ingolstadt vor Langdistanz als Saisonhöhepunkt. Und endlich wieder ohne Beschränkungen, das erhöht die Vorfreude auf Ingolstadt, denn der Kurs geht dieses Jahr erstmalig in die Stadt, sowohl auf dem Rad, als auch beim Laufen.

Die Vorbereitung lief wie gewohnt am Vorabend an, Fahrrad und Material packen, alles bereitlegen für den nächsten Morgen. Wetteraussichten stabil bis 12-13 Uhr gemeldet. Also alles wie erhofft, es kann ein guter Wettkampftag werden.

Am Abend dann noch 2-3h auf der Geburtstagsparty meiner Nachbarn verbringen, leider nicht bis zum Ende, was ich sehr bedauerte. Grillfleisch und Radler, ob das als gute Grundlage für den Wettkampf geeignet ist? Egal, hat geschmeckt. Meine Stimmung war sowie getrübt, denn ich hatte leicht erhöhte Temperatur und einen leichten Schnupfen. Meine Gedanken deswegen schon eher bei einem Trainingswettkampf mit niedriger Intensität.

Am Morgen dann, nach einer unruhigen Nacht, erster Bodycheck. Fieber? – NEIN, Schnupfen? – eher NEIN, im Kopf bereit? – NEIN. Motivation da? – JA. Und somit auf zum Wettkampf. Zur groben Einordnung, es ist 4:23 Uhr. Um 5:30 Uhr sitze ich dann im Auto nach Ingolstadt, knapp eine halbe Stunde Fahrt, Ziel: Einchecken kurz nach 6 Uhr.

Ich denke man kann mir die Unsicherheit im Gesicht ansehen, aber der Blick aus dem Auto verspricht bestes Wetter. Die Vorfreude steigt. Es kann ein tolles Rennen werden, nein es muss ein tolles Rennen werden. Rennstrategie steht, konstant und ruhig Schwimmen, Auf dem Rad mit 270 – 300 Watt Gas geben solange es geht, mit Fokus auf regelmässige Ernährung alle 20min. und fitten Beinen für den abschließenden Halbmarathon mit Ziel 1:35h (Bestzeit isoliert: 1:28h beim Halbmarathon Ingolstadt). In Summe ambitionierte Ziele, aber im realistischen Bereich.

In Ingolstadt angekommen läuft alles routiniert ab, einchecken problemlos, perfekt organisiert von Gerhard Budy und seinem gesamten Team. In der Wechselzone alles vorbereiten, Stellplatz merken, Helm, Nummernband, Schuhe, Handtuch bereitlegen. Um 6:30 Uhr alles erledigt. Jetzt bleibt Zeit die Stimmung aufzunehmen, den ein- oder anderen Smalltalk zu halten, die Schwimmstrecke noch mal durchzugehen, Flüssigkeit und Kohlenhydrate aufnehmen. Und langsam auf den Start in der 4. Gruppe um 8:15 Uhr vorbereiten. Aber ich bin nervös und unsicher, wie schnell kann ich das Rennen angehen, habe ich noch eine Erkältung in mir stecken. Ich bin mir unsicher. Aber je näher der Start kommt, die Wechselzone sich füllt, man in die Augen der anderen Athleten schaut, umso mehr steigt die Vorfreude.

Jetzt wird es langsam ernst, es geht auf 8 Uhr zu. Start der Profis. Tolle Stimmung im Startbereich. Wirklich jeder freut sich, das Triathlon wieder ganz normal losgeht. Und hier sind einige Top Leute am Start. Punkt 8 Uhr startet die erste Truppe, jetzt geht es los im 5min Takt. Ich fange an meinen Neoprenanzug anzulegen, Wassertemperatur 19.5°. Ein wenig aufwärmen, Muskeln vorbereiten auf die 1.900m Schwimmen im Ingolstädter Baggersee. Jetzt heisst es volle Konzentration. Kurz nach Start der 8:10 Uhr Gruppe dürfen wir kurz ins Wasser, Temperatur aufnehmen. Und dann stehe ich bereit, voll konzentriert wie man auf diesen Bild sehen kann. Wer dieses Bild gemacht hat verrate ich später, nur soviel vorab, es war meine größte und schönste Überraschung an diesem Tag.

Und los gehts, der Wettkampf beginnt auch für mich. In meiner Startgruppe ordne ich mich defensiv hinten ein, Ziel ohne Streß einen gleichmässigen Schwimmstil konstant durchzuziehen. Ohne viel Kampf und Schritt für Schritt den einen oder anderen überholen. Aber hier liegt nicht der Hauptfokus meines Wettkampfes. Die Taktik geht nicht ganz auf, ich muss lange Zeit hinter einer Traube sehr langsamer Schwimmer bleiben bis ich vorbeikomme. Nach 600m stoppe ich dann kurz, weil neben mir ein Schwimmer Probleme bekam und an einer Boje sich festklammern musste. Ich blieb kurz stehen um ihm zu helfen, denn er war leicht in Panik. Dann ging es aber geordnet weiter. Ich konnte mich an einigen Schwimmern vorbei kämpfen mit gleicher Badekappenfarbe. Allerdings überholten mich auch ein paar Schwimmer der nachfolgenden Gruppe. In Summe also ein durchschnittliches Schwimmen, dass ich nach 37:23min. erfolgreich beendete.

Nun war ich endgültig im Race Modus. Ein kurzer Lauf zur Wechselzone, Neopren aus, Vorbereitung auf die zweite Disziplin, knapp 80km auf dem Rad. Nach einem kurzen Schluck aus der Flasche meiner Wettkampfernährung ging es schon los auf die 2 Runden durch Ingolstadt und die Landkreise Eichstätt und Neuburg. Jetzt heisst es Vollgas in die Pedale treten, schauen was die Form macht. Und vor allem, alle 20min. einen großen Schluck aus meiner Wettkampfernährung nehmen.

Die Strecke geht in diesem Jahr erstmalig auch in die Stadt rein, das bedeutet nach dem langen Schlauch mit Überholverbot erstmal nach rechts abzubiegen und die Schleife in der Stadt zu drehen. Und ab hier beginnt das Drama. In der ersten Runde kurz vorm Wendepunkt in der Stadt beginnt ein Starkregen. Sofort drossel ich die Geschwindigkeit aufgrund der Wetterbedingungen. Auf dem Weg aus der Stadt raus sehe ich am Rand ein Traube von Menschen, dazwischen große Blutlachen, Rettungsdienst und 2-3 verletzte Personen. Der erste Crash. Mit dem nötigen Respekt fahre ich aus der Stadt raus, der Regen wird heftiger und es wird immer kälter. Noch bin ich in Aeroposition unterwegs, aber eben 5-6 km/h langsamer als geplant.

Der Weg durch die Ortschaften zieht sich immer länger, es wird immer kälter. Später lese ich in meinen Daten Temperaturen zwischen 6°-8°. Dazu Wind und immer stärker werdender Regen. Kurz vor dem Wendepunkt in Hennenweidach schaffe ich es das erste Mal aus meiner Flasche einen kräftigen Schluck zu nehmen. Durch den Regen sehe ich auch fast nichts mehr, es ist einfach nur noch kalt und nass. Meine Kontaktlinsen schwimmen im Auge. Da es in den Ortschaften sehr eng und kurvig zugeht, und auch einige Steigungen und Gefälle im Streckenprofil sind, lerne ich erstmalig kennen, was es bedeutet auf CFK Felgen zu bremsen bei Regen. Einfach gesagt, es passiert nichts.

Nach dem Wendepunkt in Hennenweidach, wo der Support der Zuschauer hervorragend war, konnte ich bereits nicht mehr in die Aero Position, die Muskulatur hat es nicht mehr zugelassen. Ich fuhr also in Oberlenker Position weiter. Es fühlte sich auch sicherer an. Auf dem Rückweg in die Stadt sah ich praktisch überall Kollegen, die aussteigen, oder bereits mit Rettungsdecken durch den Rettungsdienst oder die Feuerwehr versorgt waren. In mir kamen auch die Gedanken hoch, direkt am Baggersee abzubrechen und zurückzulaufen zu Wechselzone. Ich haderte mit mir. Aufgeben, oder weiter versuchen Ortschaft für Ortschaft in Teilzielen weiterzumachen. Jetzt war es ein Höllenrennen. Sehr gefährlich zu stürzen und eine große Gefährdung durch Unterkühlung. Ich sah vor mir bereits einige Fahrer die in Schlangenlinien unterwegs waren, keine Kontrolle mehr über ihr Fahrrad. An der Abfahrt zur Wechselzone angekommen war nur noch Chaos, überall Fahrer die bereits abgestiegen oder zu Fuß in Rettungsdecken auf dem Weg zur Wechselzone waren. Aufgrund dieser Hektik dort entschied ich mich die kurze Stadtrunde noch zu fahren und auf dem Rückweg auszusteigen. Ich kämpfte nur noch gegen meinen Kopf, keine Chance mehr zu Schalten oder zu Bremsen, keine Chance mehr meine Flasche in die Hand zu nehmen und zu trinken. Es ging nur noch ums überleben bis zu einem kontrollierten Ausstieg.

Wer genau hinschaut bei diesem Foto sieht, dass ich fast nichts getrunken hatte. Aber jetzt begann mein Kampfgeist erneut mich zu pushen, jetzt war mein Ziel von Ortschaft zu Ortschaft zu denken. Ich war faktisch nicht mehr handlungsfähig, fuhr aber weiter und weiter. Plötzlich war ich wieder in Hennenweidach, der letze Wendepunkt, nur noch zurück in die Wechselzone, vielleicht 15-20km. Es wurde allerdings immer noch heftiger und heftiger. Ich zitterte am ganzen Körper, es waren einstellige Temperaturen und ich war von oben bis unten naß. Ich konnte mich aber bis zur Abzweigung der Wechselzone durchkämpfen und bog dort erleichtert ab Richtung letzter Einheit, dem Laufen. In der Wechselzone nach 2:34:11h angekommen dauerte es aber über 8min. bis ich meine Schuhe binden und meinen Helm absetzen konnte. Hier musste mir schon ein Kollege helfen. Danke nochmal dafür.

Pünktlich zum Start meiner Laufrunde stoppte auch der Regen. Kontrolliertes Laufen dennoch unmöglich, denn alle Muskeln waren kalt. Es ging erstmal 2-3km um den mir gut bekannten Baggersee, die Muskeln wurden aber nicht warm, dennoch war mein Lauftempo in Ordnung. Eine Entenfamilie stoppte mich kurz, wie sie den Laufweg überquerten. Das Laufen fühlte sich gut an, auch ohne Ernährung auf dem Rad. Ich konnte eigentlich regelmässig Läufer vor mir überholen. Vom Baggersee weg ging es dann auf 2 Runden mit größerem Stadtanteil inkl. Rathaus und Theaterplatz. Diese Runde war mir größtenteils ja aus dem letzten Jahr bekannt. Mein Tempo hat sich zwischen 4:30min/km und 4:45min/km eingependelt. Es lief gut, aber ich habe nicht mehr die letzten Prozente beim Laufen aus mir herausgeholt. Ich war einfach froh, dass es schmerzfrei und konstant lief, und freute mich auf den Innenstadtteil und die anfeuernden Zuschauer. Ich denke aber auch da wäre bei besserem Wetter noch mehr los gewesen, dennoch waren zahlreiche Personen da und feuerten die Läufer an. Ein kleiner taktischer Fehler unterlief mir in Runde 1, ich nahm eine Cola zu mir. Das sollte man eher am Ende des Rennens machen, die lag mir nach kurzen positiven Effekt doch ziemlich im Magen. Aber meine Vorfreude auf den Zieleinlauf war zu Beginn der zweiten Runde schon das dominierende Gefühl. Ich realisierte mehr und mehr, dass ich in diesem besonderen Rennen durchgehalten habe. Ich denke das war an diesem Tag die größte Herausforderung, nicht die Platzierung, nicht die Endzeit. Kurz vorm Ziel gab es dann noch einmal Motivation durch Frank Horras, der gewohnt lautstark die Athleten anfeuerte. Jetzt noch 2km bis ins Ziel, noch einmal die Geschwindkeit leicht anziehen, und an Läufern mit blauen Nummern vorbeiziehen. Und dann kam sie näher, die Zielgerade mit großer Stimmung und den letzten 100m. Geschafft, dieses Rennen überlebt, beendet und ohne Verletzungen ins Ziel gebracht. Die Laufzeit: 1:36:06h, absolut i.O. in einer Mitteldistanz. Zieleinlauf dann in Summe nach 5:00:49h, Leider über die magischen 5h, aber ok nach so einem Tag.

Im Ziel traf ich dann direkt auf meine Vereinskollegen, die ebenfalls über die Mitteldistanz oder Olympische Distanz unterwegs waren. Wir aber waren uns alle einig, das war ein besonderes und anspruchsvolles Rennen, denn mit diesem Wetter hatte wirklich keiner gerechnet.

Was nehme ich aus einem solchen Rennen nun mit für die Zukunft. Es ist aktuell noch schwer zu sagen, aber auf alle Fälle immer Durchbeißen, auch mal das Rennen einfach genießen. Aber auch die Abläufe zu optimieren, Wechselzone, Schwimmtaktik, Racing auf dem Rad und Test der Wettkampfernährung, denn die habe ich faktisch gar nicht aufgenommen über die komplette Instanz von 5h.

Aber wer war nun die Überraschung? Ich stand im Zielbereich, und auf einmal kam ein anderer Triathlet auf mich zu. Er sagte „geh mal rüber zum Zaun zu dem Mädel da. Sie will dir Hallo sagen“. Neugierig ging ich hin, und wer Stand vor mir? Die Susi aus Stockstadt, wir kennen uns seit unserer Kindheit und wir haben uns 15 Jahre nicht mehr gesehen. Im ersten Moment war ich sprachlos, aber es war eine tolle Überraschung an diesem Tag. Und wir sehen uns wieder beim Ironman Frankfurt, denn da startet ihr Freund auch wieder, und da werden wir uns hoffentlich etwas länger dann unterhalten können.

Abschließend möchte ich noch ein großes Dankeschön an den Veranstalter „Mr. Triathlon“ Gerhard Budy loswerden. Er hat wieder ein tolles Rennen gestaltet mit seinem großen Team, schade dass das Wetter diese Probleme verursacht hat, knapp 50% aller Teilnehmer der Mitteldistanz mussten aufgeben oder hatten einen Sturz. Aber die Location, die neue Streckenführung, die Organisation, einfach alles perfekt. Aber auch ein sehr großer Dank an alle Helfer der Hilfeleistungsorganisationen von Rettungsdienst, Wasserwacht, Feuerwehr, Polizei … Sie mussten zusätzlich zur Absperraufgabe und Absicherung eine Höchstleistung erbringen in der Versorgung aller Unterkühlten und Verunfallten. Das war eine top Leistung. Vielen Dank. Nächstes Jahr sehen wir uns wieder, aber jetzt heisst es volle Konzentration über die letzten 4 Woche bis zum Ironman Frankfurt.

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